Im Rahmen einer Informationswoche im Wahlkreis sensibilisierte der Lörracher SPD-Landtagsabgeordnete Jonas Hoffmann für das Thema Sucht. Über Facebook und Instagram informierte der Abgeordnete zu verschiedenen Süchten und der Arbeit der Drogenberatungsstelle Lörrach. Mit deren Leiter, Frank Meißner, dem Kommunalen Suchtbeauftragten im Landkreis Lörrach, Michael Hellmann und dem suchtpolitischen Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Andreas Kenner fand zudem am Mittwoch eine Online-Diskussionsrunde statt.
Unter dem Titel „Weed, Web und Wodka“ wurde mit Bezug auf aktuelle Diskurse zur Legalisierung von Cannabis und zunehmende Mediennutzung das gesellschaftliche Tabuthema Sucht in den Fokus gestellt. Schätzungen des Bundesgesundheitsministeriums zufolge sind mehrere Millionen Menschen in Deutschland von Nikotin, Alkohol oder Medikamenten abhängig. Auch von problematischem Glücksspielverhalten und exzessiver Internetnutzung sind mehrere Hunderttausend hierzulande betroffen.
Wie sich die öffentliche Wahrnehmung des Themas Sucht in der Region verändert hat, erörterte Jonas Hoffmann in einem Zwiegespräch mit dem Kommunalen Suchtbeauftragten des Landkreises, Michael Hellmann. Bis Anfang der 2000er-Jahre hatten Drogentote im öffentlichen Raum deutschlandweit immer wieder für politisches Augenmerk auf Suchthilfe und -prävention gesorgt. Daraufhin wurden in Baden-Württemberg Stellen wie die Kommunaler Suchtbeauftragter eingerichtet. Diese koordinieren die kommunalen Netzwerke in der Suchthilfe und -prävention, vermitteln zwischen den dortigen professionellen Stellen, analysieren und planen Bedarfe und Strukturen.
Heute ist die offene Drogenszene weitgehend nicht mehr im öffentlichen Raum sichtbar. Süchte sind dennoch in der Gesellschaft weit verbreitet. Deshalb sei es wichtig, dass die bestehenden, vielfältigen Hilfsangebote bekannt seien, so Hellmann. Das Projekt „Wege in die Sucht, Wege aus der Sucht“ (www.wiswas.de) der Landkreise Lörrach, Konstanz und Waldshut informiert aktuell über Abhängigkeitsgefährdungen, Süchte und Hilfen. Die gestaltende Rolle, die Politik bei Suchtprävention einnehmen kann, zeigt sich für Jonas Hoffmann am Beispiel des Rauchens: „Politik kann positiv Kultur verändern. Beim Nichtraucherschutz zeigt sich, dass durch geänderte gesetzliche Rahmenbedingungen heute viel weniger junge Menschen rauchen als noch vor zwanzig Jahren.“
Aus der Praxis berichtete in der Diskussionsrunde Frank Meißner von der Lörracher Drogen- und Jugendberatungsstelle. In den Fokus stellte er neben der Prävention den Schutz von Konsumenten und die Unterstützung von Erkrankten. Anhand des aktuellen Diskurses zur Legalisierung von Cannabis erklärte er, wie eine kontrollierte Abgabe qualitätsgeprüfter Substanzen Konsumenten schützen könnte. Folgewirkungen durch schädliche Wirkstoffe und die Prohibition im Allgemeinen könnten damit vermieden und Stigmatisierungen vermindert werden. Für Suchterkrankte wie Opiatabhängige sprach sich Meißner für dezentrale, sozialraumorientierte Behandlungsmöglichkeiten aus. Durch die Pandemie hätten Online-Angebote bereits kürzere Wege ermöglicht – die technische Ausstattung von Beratungsstellen müsse aber bei politischen Überlegungen zur Finanzierung stärker mitgedacht werden.
MdL Andreas Kenner, suchtpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg war wichtig, den Blick auf die besonders schutzbedürftige Gruppe der Kinder zu lenken. Diese seien als Betroffene in Suchtfamilien und durch die Pandemie in besonderem Maße betroffen. Medienkompetenz und digitale Mündigkeit werde angesichts zunehmender und bisweilen exzessiver Mediennutzung immer wichtiger. Er akzentuierte auch die Gefährdung alleinstehender Pensionierter, vor allem durch Alkoholmissbrauch, und appellierte zudem an Berufspolitiker, sich ihrer Vorbildfunktion bewusst zu werden.
Um digitales Empowerment drehte sich ein Austausch Hoffmanns mit Hans Joachim Abstein, Referatsleiter Suchthilfe im AGJ-Fachverband Freiburg. In einem mit EU-Mitteln geförderten Modellprojekt werden partizipativ Schulungen entwickelt, die dabei helfen, Suchthilfe besser zugänglich und sichtbarer zu machen. Dazu werden Fachkräfte in digitalen Schulungen für Videoberatungen und die Nutzung therapieunterstützender Tools fit gemacht. Beides kann nicht die klassische Beratung ersetzen. Es bietet aber die Möglichkeit, niederschwellig zu helfen, indem erwerbstätige oder ländlich wohnende Erkrankte schnelleren Zugang zu Unterstützung erhalten. Zusätzlich werden Suchtgefährdete und Suchtkranke zu mehr digitaler Teilhabe befähigt. Gestärkt im Umgang mit digitalen Anwendungen sind virtuelle Termine, etwa Behördengänge oder Bewerbungsgespräche, so keine Hürde mehr. Das Projekt wird bis Jahresende weiter erprobt und soll anschließend fortgeführt werden. Digitalpolitiker Jonas Hoffmann zeigte sich begeistert von der Idee und bemerkte: „Menschen, die an einer Sucht erkrankt sind, stehen neben gesundheitlichen oft auch vor sozialen Herausforderungen. Schulungen, die eine Person mit Problemen zu mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Alltag befähigen – so kann das ‚Digitale Leben‘ ausgestaltet werden.”
Als Fazit zur Informationswoche stellte Hoffmann fest: „Meine Hoffnung ist, dass mein Team und ich mit dieser Woche Aufmerksamkeit für dieses gesellschaftlich so wichtige Thema schaffen konnten. Dass aufgezeigt werden konnte, dass die vielfältigen Angebote in der Suchthilfe Betroffenen und Angehörigen im Kampf gegen Abhängigkeiten zur Seite stehen. Und ich wünsche mir, dass mehr über das Tabuthema Sucht gesprochen werden kann. Eine Stigmatisierung von Menschen, die an Sucht erkrankt sind, darf es nicht geben.“