„Inklusion ist nicht verhandelbar“

Im Rahmen eines Runden Tischs zur Frage „Wie kann Inklusion gelingen?“ kam der Lörracher SPD-Landtagsabgeordnete Jonas Hoffmann mit Eltern vom Verein LÖwenstark, sowie Leitungen von pädagogischen Einrichtungen im Landkreis, ins Gespräch. Der gegenwärtige Fachkräftemangel, entsprechende Arbeitsbedingungen und zahlreiche bürokratische Hürden verschärfen sich deutlich, wenn es um Inklusion geht.

Die anwesenden Eltern von LÖwenstark, eine Initiative im Landkreis Lörrach von Eltern mit Kindern mit Beeinträchtigungen, erzählten von großer Ernüchterung beim Thema Inklusion in pädagogischen Einrichtungen. Neben dem eigenen enormen, tagtäglichen Einsatz der Eltern sei die Suche nach Betreuungsplätzen wie auch die alljährlichen Anträge und Suche nach begleitender und pädagogischer Hilfe durchweg eine zusätzliche Belastung. „Das größte Missverständnis ist doch, wenn die Gesellschaft meint, sich für oder gegen Inklusion entscheiden zu können. Inklusion ist aber nicht verhandelbar. Aber aktuell ist es anders, wenn ein Kind mit besonderen Bedürfnissen einen Betreuungsplatz braucht.“, fasst Karin Meiser die Erfahrungen von Eltern zusammen.

Elke Grunicke-Hunscheidt, Pädagogische Leiterin der Freien Kita Weil, berichtet, dass, auch wenn die Anträge genehmigt werden, es größtenteils an angemessen ausgebildetem Personal und begleitender, pädagogischer Hilfe fehle. Die Inklusionsleistung bleibe dann häufig am regulären Kita-Personal und den Eltern hängen.

Michaela Sütterlin, Leiterin des Gemeindekindergartens Brombach, unterhält bei sich selbst zwei Inklusionsgruppen in einem offenen Kita-Konzept. Gerade dort hänge Inklusionsleistung sehr stark von der Bereitschaft und Flexibilität des Personals ab, sich ständig zu wandeln, auf die Bedürfnisse der Kinder und auf die eigenen Bedürfnisse zu schauen und den intensiven, tagtäglichen Austausch untereinander zu pflegen. Zugleich hebt sie hervor, wie bereichernd diese Struktur für alle Kinder sei.

Die anwesenden Eltern und Kita-Leitungen waren sich darin einig, dass eine breite Auffassung von Inklusion auch heiße, auf die Bedürfnisse des einzelnen Kindes zu schauen. Nicht jedes Kind müsse überall reinpassen, denn nicht jedes pädagogische Konzept und jeder Versuch zur Inklusion passe zu allen Kindern gleich, betont Isabella Pöhlmann, Leiterin des Schulkindergartens der Karl-Rolfus-Schule. Zugleich plädiert sie dafür, nicht unterschiedliche Konzepte gegeneinander auszuspielen. Manche Kinder bräuchten klar strukturierte, kleine Einrichtungen, Rückzugsmöglichkeiten und wenig Reizüberflutung, andere Kinder lernten sich in raumübergreifenden Strukturen mit mehreren Bezugspersonen zu entfalten. Doch diese Bedürfnisse werden gar nicht erst abgewogen, weil Eltern von Kindern mit Beeinträchtigungen erst gar nicht zu einem Vorgespräch von der Einrichtung eingeladen werden. Hier brauche es Vernetzung zwischen dem Landkreis, den Kommunen und Trägern. In dieser Vielschichtigkeit der Zuständigkeiten sei es für Eltern eine riesige Herausforderung, die Kinder in einen passenden Rahmen zu vermitteln. Eltern können mit dieser Situation nicht allein gelassen werden.

Abschließend trug Anja Heyting, Initiatorin des Runden Tischs und Leiterin von LÖwenstark, auf Basis der Erfahrungen von Eltern und Kita-Personal einige politische Forderungen für Hoffmann zusammen: „So wenig wir darüber diskutieren, wie wir Inklusion leben wollen, so unausgereift ist auch das Konzept der Inklusionskraft. Es existiert keine standardisierte Ausbildung und als Zusatzqualifikation muss sie heute von pädagogischen Einrichtungen primär selbst übernommen werden. Stattdessen benötigen wir ein gewaltiges Landesprogramm zur Personalgewinnung, das seine Ansprüche von Inklusion nicht mit Quereinsteiger/innen deckt.“

Jonas Hoffmann zeigte sich beeindruckt von der Arbeit, die die Anwesenden leisten, und fasste zusammen: „Seit 1996 besteht ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab drei Jahren bis zum Schuleintritt, 2013 wurde dieser ausgeweitet auf Kinder ab dem 1. Lebensjahr. Hier muss gleiches Recht für alle gelten. In Bezug auf Inklusion beschäftigen sich Politiker/innen sehr häufig mit theoretischen Debatten zu pädagogischen Konzepten. Wie der Runde Tisch zeigt, ist diese Debatte bei Eltern und Kita-Leitungen und -Personal besser aufgehoben, wobei Politik ergänzend zu diesen Zielen führen sollte“.

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Foto (v.l.n.r.): Michaela Sütterlin (Leiterin Gemeindekindergarten Brombach und Villa Lila), Elke Grunicke-Hunscheidt (Pädagogische Leiterin Freie KiTa Weil am Rhein), Nicole Rehmann, Karin Meiser, Anja Heyting (LÖwenstark), Isabella Pöhlmann (Leitung Schulkindergarten der Karl-Rolfus-Schule), Jonas Hoffmann

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