„Stuck at Home“ / Zuhause eingesperrt 5 Tipps aus meiner Zeit in Afghanistan

Ich erlebe gerade, dass Vielen im meinem Umfeld nach 1-3 Wochen zu Hause, die Decke auf den Kopf fällt. Manchmal macht man Erfahrungen, die man nie geglaubt hätte, nochmal zu brauchen. Dass ich wieder einmal über Wochen und Monate „eingesperrt“ bin ist wohl so eine Erfahrung. Ich habe das vor genau 10 Jahren (2010) in Afghanistan erlebt. Damals war die Ausgangssperre zwar aufgrund der Taliban und nicht wegen eines Virus, aber es ist doch recht vergleichbar.Hier 5 Tipps wie man diese Zeit nicht nur überleben, sondern auch für sich nutzbar machen kann.

1. Struktur & Arbeit Wichtig ist, dass man sich eine gewisse Routine erhält, die aber Sinn machen muss. Routinen aus Prinzip sind eher schädlich aus meiner Erfahrung. Das war für mich in Afghanistan der morgendliche Austausch mit meinem Team, klare Abgrenzung von Arbeitswoche und Wochenende, sowie regelmäßiger Austausch mit Menschen, die mir wichtig sind und in dieser Zeit auch besonders wichtig geworden sind. Nicht jede Freundschaft taugt zur „Fernfreundschaft“ (an dieser Stelle nochmals Danke an alle, die damals mit mir den Kontakt gehalten haben!). Auch sollte man einfach „seine“ Arbeit erledigt bekommen, denn auch wenn man Zuhause eingesperrt ist, hat man ja noch einiges zu tun. Wie das klappen kann hat Margarete Stokowski hier super beschrieben.

2. Neues & Altes Lernen Man hat plötzlich Zeit Dinge zu machen, die man schon immer mal machen wollte. Am Anfang hat man schnell einige Ideen, aber die sind dann auch schnell wieder durch. Ich habe damals mein Gitarrenspiel auf neues Niveau gebracht und das ganze Neue Testament der Bibel in einem Zug durchgelesen. Musikinstrumente lernen oder üben finde ich eigentlich besonders gut, da es einen auf ganz viele Arten herausfordert, man den Fortschritt sieht und wenn man z.B. nicht mehr arbeiten kann, weil kein Bock mehr, die Gitarre, das Saxofon oder was auch immer, einfach neben dem Tisch steht.

3. Informieren & Ablenken Auch bei uns gab es damals viele Informationen über die aktuelle Bedrohungslage und die Gefahr ist groß, sich sehr viel um diese zu drehen. Wichtig ist hier eine gute Balance zu finden. Es ist wichtig sich gut zu informieren, um gute Entscheidungen treffen zu können. Irgendwann nervt es einen aber einfach nur noch. Deswegen ein bis dreimal täglich die Lage checken und es dann auch sein lassen und sich auch mit anderen, leichten Dingen beschäftigen. Computer spielen, Brettspiele (wir haben X mal „Siedler von Catan“ gespielt), Kochen & Backen, Indoor Sport, anderen kleine Freuden machen, usw… Allgemein ist es wichtig, sich nicht zu sehr um sich und seine Ängste zu drehen.

4. Das was gewöhnlich war und jetzt ungewöhnlich ist feiern Wenn man eingesperrt ist, ist einiges was bis vor wenigen Tagen noch gewöhnlich war plötzlich besonders. Und das kann und sollte man feiern. Das wird auch noch ewig nachhallen. Bei mir war das der kurze Ausflug in die Wüste oder der Besuch in der Schule, in der wir Sportplätze gebaut haben. Jetzt sich vielleicht mal auf ein Dach setzen und die Sterne anschauen, einen Pool im Garten graben (der nie tiefer als 30cm wurde 😊), ein Glas Wein mit Freunden über Videochat trinken, eine Wasserschlacht in der Wohnung oder sonst irgendetwas machen, was gerade besonders ist, tut einfach gut und ist wichtig.

5. Sich Dingen stellen, denen man sonst aus dem Weg geht. Eingesperrt sein bringt uns, die wir ja alle ein sehr sehr hohes Maß an Freiheit gewohnt sind, an unsere persönlichen Grenzen. Man kann aber auch diesen Grenzen einfach ins Auge schauen und Fragen wälzen, die man sich sonst nicht stellt. Weshalb bin ich wie ich bin? Weshalb führt diese Situation zu solchen Reaktionen in mir? Weshalb glaube ich, dass was ich glaube und weshalb bin ich überhaupt auf dieser Erde? Diese Fragen führen nicht unbedingt dazu die Zeit „leichter“ zu machen. Ne, je nach dem machen sie es sogar viel schwieriger. Deshalb sollte man diesen Tipp nur in guter Kombination mit Tipp 1,2,3 und 4 kombinieren. Trotzdem ist es eine Chance sich mit sich selbst auseinander zu setzten, sich selbst besser kennen zu lernen und gereifter aus so einer Zeit heraus zu kommen.Ich konnte mit diesen Erfahrungen viel aus meiner Zeit in Afghanistan und der Zeit des eingesperrt Seins ziehen und heute habe ich die Langeweile und die schwierigen Teile dieser Zeit eigentlich nicht mehr präsent. Was aber geblieben ist, sind die unglaublich witzigen Ereignisse und die Erkenntnisse dieser Zeit.

Ich hoffe ich kann so dem ein oder anderen mit meinen Erfahrungen helfen und wünsche euch und mir selbst, dass trotz allem, wir was von dieser Zeit mitnehmen können. Schließen tue ich mit einem meiner Lieblingszitate. Es stammt von Dietrich Bonhoeffer, einem Pastor, der von den Nazis wegen seiner Verbindungen zum Widerstand, erschossen wurde (Lesetipp ist diese Biografie, leider kein Gutscheincode vorhanden :).

„Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.“ Dietrich Bonhoeffer

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