Dass die südliche Grenzregion nicht ständig im Fokus der Landesregierung in Stuttgart steht, zeigen Antworten des Verkehrsministeriums auf eine Anfrage von SPD-Politiker Jonas Hoffmann. Er hat zu Verkehrsprojekten am Hochrhein nachgehakt. Klar wird: Die über 90 Jahre alte Rheinbrücke zwischen Waldshut (D) und Koblenz (CH) nähert sich ihrem Lebensende.
In sogenannten parlamentarischen Anfragen können Abgeordnete von Ministerien Auskunft zu bestimmten Themen verlangen. Hoffmanns Nachfragen beziehen sich auf den Umsetzungsstand von Maßnahmen, die in der Verkehrsstudie Hochrhein-Bodensee vorgeschlagen sind. Die Studie hat das Regierungspräsidium Freiburg 2022 herausgegeben. Sie zeigt Schwachstellen im grenzüberschreitenden Verkehr auf und schlägt Maßnahmen vor, um diese zu beheben.
Die Antworten der Landesregierung vermitteln dabei den Eindruck, dass die Schweiz stärker daran interessiert ist, beim Ausbau grenzüberschreitend bedeutender Infrastruktur voranzukommen. Waldshut-Tiengens Oberbürgermeister Martin Gruner bringt es unmissverständlich auf den Punkt: „Am Hochrhein stehen wir seit Jahren vor erheblichen verkehrstechnischen Herausforderungen, die von den betroffenen Kommunen nicht im Alleingang bewältigt werden können. Speziell für Waldshut-Tiengen sind der zügige Ausbau der A98 und B3, die Problematik im Zollbereich sowie die dringende Angelegenheit der Rheinbrücke zu nennen. Die Schweiz arbeitet bereits aktiv an regionalen Planungs- und Umsetzungsinitiativen, die ich mir ebenso von Bund und Land auf deutscher Seite wünschen würde.“
Er bezieht sich auf das Regionale Gesamtverkehrskonzept Ostaargau des Kantons Aargau. Im Rahmen des Konzeptes hat der Kanton die Initiative für Planungen zur Rheinbrücke und einem möglichen Ersatzneubau ergriffen. Zwar erklärt das Verkehrsministerium, dass es die Restlebensdauer der 1932 gebauten Brücke besonders mit Blick auf den LKW-Verkehr als begrenzt ansehe. Hinweise auf eigene Aktivitäten in der Sache sind aber stets an den Kanton gekoppelt.
Auch zu anderen Verkehrsprojekten bietet das Ministerium wenig Handfestes. So sieht es für einige Maßnahmen etwa weiteren Prüfbedarf in einem Folgeprozess zur genannten Verkehrsstudie. Das gilt beispielsweise für zusätzliche Fahrstreifen auf der B34 im Zulauf zum Zoll und einen zusätzlichen Grenzübergang bei Sisseln.
Letzterer wird zukünftig auch angesichts der größten im Kanton Aargau geplanten Arbeitsplatzzone Sisslerfeld ein Thema werden. Die dort geplanten bis zu 10.000 Arbeitsplätze benötigen wiederum Infrastruktur: Mehr Verkehr und auch mehr Bedarf an Wohnraum – auch auf deutscher Seite des Rheins – werden erwartet.
Dass das Land sich vage äußert und die Verantwortung für nötige Entwicklungen an die Kommunen zurückspielt, ärgert Bad Säckingens Bürgermeister Alexander Guhl: „Durch die Wachstumsdynamik im Sisslerfeld entstehen große Herausforderungen für Stadt und Region. Da geht es um Verkehr, Wohnraum und eben auch um Geld. Wer etwa die angedachte Brücke für Fuß- und Radverkehr zwischen Bad Säckingen und Stein bezahlen wird, sollte einmal diskutiert werden.“
Guhl hat insbesondere Bedenken, wenn er überlegt, wie Wohnen in Bad Säckingen bezahlbar bleiben soll. Er legt Hoffnung auf eine von der Vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft (VVG) Bad Säckingen in Auftrag gegebene Studie. Sie soll Auswirkungen des Sisslerfeldes am Hochrhein untersuchen. Gefördert wird sie, wie das Landesministerium anmerkt, vom Bund als Modellvorhaben der Raumordnung (MORO). Daneben verweist das Ministerium für Haushalte mit niedrigen Einkommen auch auf das Wohngeld des Bundes.
Rita Schwarzelühr-Sutter, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Waldshut-Tiengen, merkt an: „Es ist schon bezeichnend, wenn die Landesregierung bei Entwicklungen in unserer Grenzregion auf Bund und Kommunen verweist. Man könnte manchmal meinen, für Stuttgart endet die Welt am Rhein.“ Zumindest plant das Ministerium laut Anfrage „zu prüfen, wie die deutschen Akteurinnen und Akteure bei den auf sie zukommenden Herausforderungen unterstützt werden können“.
Anfragesteller Jonas Hoffmann zeigt sich ebenfalls verwundert: „Immer wieder scheint die grün-schwarze Landesregierung überrascht, dass wir in Südbaden täglich den Rhein und die Landesgrenze für Arbeit, Freizeit, Freunde und Familie überqueren. Sie sollte diese Lebenswirklichkeit endlich ernst nehmen und nicht nur unserer Schweizer Nachbarschaft die Sorge für grenzüberschreitende Projekte überlassen.“
Zumindest in einem Vorhaben, zu dem Hoffmann nachgehakt hat, ist Bewegung: Ein Pachtvertrag für ein Grundstück, auf dem mehr LKW-Parkraum vor dem Zoll geschaffen werden soll, liegt zur Prüfung beim Bundesverkehrsministerium. „Nun geht es darum, dass die Straßenbauverwaltung Baden-Württemberg sowie Regierungspräsidentin Schäfer zügig die vom Bundesverkehrsministerium angeforderten Nachweise zeitnah nach Berlin versenden können und dann eine Baufreigabe erfolgen kann“, so die Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter. Hintergrund ist hierzu, dass der Bund normalerweise nur auf eigenen Flächen baut und die Grundstückseigentümer diese jedoch nicht verkaufen wollen. Daher muss das Bundesministerium prüfen, ob die Pachthöhe sowie konkrete Vertragsbestandteile mit dem geltenden Haushaltsrecht des Bundes übereinstimmen.