Strategie zur Bewältigung der Corona Krise vor Ort in Lörrach

Täglich werden auch bei uns im Kreis die Infektionszahlen geringer.

Dies ist primär der Bevölkerung zu verdanken, die sich in den letzten zwei Monaten grundsätzlich
an die Kontaktsperre gehalten hat und an vielen Stellen bereit war, aus der Not eine Tugend zu
machen, sei es durch kreative Angebote der Gastronomie oder durch die Hilfsangebote
unterschiedlichster Organisationen und Unternehmen, die ihre komplette Organisation in wenigen
Tagen auf Homeoffice umgestellt haben.

Es ist aber auch den Entscheidungen der Bundes-, Landes- und Lokalpolitik zu verdanken, dass
wir gerade so an einer humanitären Krise vorbeigeschlittert sind und bisher, im Vergleich zu fast
allen Ländern weltweit, wohl einen der besten Grade zwischen persönlichen Freiheiten und
Einschränkungen gefunden haben. Hier muss man aber auch festhalten, dass wir „Glück“ (ich
würde es eher als „Bewahrung“ bezeichnen) hatten. Es gab in Deutschland relativ wenige
„Superspreader“, die das Virus zu vielen Menschen getragen haben. Wäre das Virus zwei Wochen
vorher, mitten in der Fastnachtszeit, in Deutschland voll verbreitet, sähe die Situation ganz
anders aus.

Rückblickend auf die vergangenen Monate müssen wir nun reflektieren, warum das RKI die
Entwicklungen in Asien so lange so unterschätzt hat. Warum ist so lange davon ausgegangen worden,
dass wir in Europa nicht betroffen sein werden? Für mich steht hier als Antwort zurzeit vor allem
„westliche Arroganz“ im Vordergrund, die wir uns nicht leisten können und sollten. Jetzt stehen wir
aber erst am Anfang der Krise und unser Ziel muss sein, Wege aus der Krise aufzuzeigen.

Klar ist, jeder möchte so schnell wie möglich diese Krise hinter sich lassen, um wieder in Kontakt
zu Menschen zu kommen, Freiheiten voll genießen zu können und auch wieder ein gesichertes
Einkommen für sich und seine Angehörigen zu haben.
Eine Strategie hierfür aufzuzeigen, umzusetzen und immer wieder zu erklären, ist Aufgabe der
Politik. „Die Wissenschaft“ hat nicht die Aufgabe politische Entscheidungen zu treffen. Aber
politische Entscheidungen, die sich im Widerspruch zu wissenschaftlichen Erkenntnissen
befinden, stehen auf sehr dünnem Eis und werden uns als Nation der „Dichter und Denker“ nicht
gerecht. Gute Politik macht auch aus, dass sie sich nicht gegen nachweisbare Fakten wehrt,
sondern einen Weg findet mit diesen Fakten umzugehen und darauf zu reagieren.

Deswegen sollten alle, die im Moment politische Entscheidungen treffen, zur Kenntnis nehmen,
dass nach Wochen der Diskussion man auch in der Wissenschaft zu einem Konsens gekommen ist,
wie die Krise bewältigt werden kann. Hier die Papiere, sehr empfehlenswert zu lesen.

Diese Strategie nennt sie „Containment“-Strategie.
Dies bedeutet, dass keine „Herdenimmunität“ angestrebt wird, da z.B. nicht ausreichend geklärt ist,
ob und wie lange Menschen nach einer Erkrankung immun sind. Auch würde das bedeuteten, dass in
Deutschland, laut aktuellen Zahlen, 100.000 bis 600.000 Menschen am Corona-Virus sterben
würden, bevor eine “Herdenimmunität” erreicht werden würde. Man ist sich außerdem bewusst,
dass eine Ausrottung des Virus im Moment nicht möglich ist.
Der Schlüssel der „Containment“-Strategie ist es, Abstand zu halten und die Nachverfolgung aller
Infektionsketten sicherzustellen, um diese zu brechen und so wenige Infektionen wie möglich
zuzulassen, bis ein Impfstoff oder eine bessere Therapie gefunden ist. Andere nennen diese
Strategie auch „Seek & Destroy“, also „Suchen und Zerstören“.

Diese Aufgabe übernimmt das Gesundheitsamt in den Kreisen. Dieses Amt ist Speerspitze im
Kampf gegen Corona und hat die Verantwortung, jede Person zu finden, die mit einem Infizierten
im Kontakt war, sie zu testen und so lange in Quarantäne zu belassen, bis ein negativer
Test vorhanden ist, unabhängig davon, ob die Person Symptome zeigt.
Hierzu müssen die Gesundheitsämter in der Lage sein. Das Lörracher Gesundheitsamt leistet hier
schon hervorragenden Arbeit, ist aber leider noch nicht an dem Punkt angelangt, wo es gelingt alle
Kontaktpersonen nachzuverfolgen und zu testen (siehe BZ hier).
Dies ist aber die Schlüsselstelle. Deshalb muss hier investiert werden, bevor große Lockerungen
durchgeführt werden können. Die nötige Technik, ausreichend Personal und die Vernetzung zu
anderen Behörden, wie z.B. den Ordnungsämtern und der Polizei, muss vorhanden sein, um diese
Aufgabe vollumfänglich bewältigen zu können. Eine App kann hier unterstützen, bleibt aber
immer ein Mittel zum Zweck.


Sind wir an diesem Punkt, müssen die Regelungen während der Pandemie abhängig von der
Situation vor Ort und den Kapazitäten des Gesundheitsamtes getroffen werden.
Deshalb wäre eine Risikobewertung, inklusive der Verknüpfung mit Maßnahmen vor Ort auf Kreisebene,
aus meiner Sicht sinnvoll und würde das Verständnis in der Bevölkerung für
Maßnahmen, die die Freiheiten der Bürger einschränken, erhöhen.
Wenn wir aber Lockerungen beschließen, die eine Kontaktverfolgung so erschweren, dass die
Gesundheitsämter nicht in der Lage wären, diese zu bewältigen, halte ich dies für nicht zu
verantworten. Dies bringe uns automatisch in eine Situation, in der wieder nur die
Holzhammermethode eines „generellen Lockdowns“ zur Verfügung steht.
Ziel muss sein, so schnell wie es geht, alle Einschränkungen abzubauen. Aus meiner Sicht ist dies
der Weg, mit dem wir am schnellsten wieder zu einem hohen Maß an „Normalität“
zurückkommen werden.

Maßnahmen, die aber eine Kontaktverfolgung unmöglich machen, oder „ziviler Ungehorsam“, um
für „Freiheit“ zu kämpfen, führen automatisch in eine schwierige Situation mit noch mehr
Einschränkungen.
Dies sind nicht zwingend gute Nachrichten, aber sie befinden sich auf dem Boden des aktuellen
Erkenntnisstandes. Entscheidungen, die in eine andere Richtung zielen, sind aus meiner Sicht
schwer zu verantworten.

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