Der SPD-Kandidat im Wahlkreis Lörrach-Müllheim, Jonas Hoffmann, rechnet sich Chancen aus, gerade weil seine Gegner so stark sind.
LÖRRACH. Bei der Bundestagswahl gibt es eine Erst- und eine Zweitstimme. Erstere entscheidet über den Direktkandidaten, der den Wahlkreis Lörrach-Müllheim im Bundestag vertritt, die Zweitstimme über die Anteile der Parteien und damit die Sitzverteilung im Parlament. Beide Ebenen zusammen betrachtet haben im Wahlkreis vier Kandidaten mehr oder weniger Chancen, in den Bundestag einzuziehen – entweder als direkt Gewählter oder über die Landeslisten der Parteien. Dieses Quartett beobachtet die BZ im Wahlkampf genauer. Heute SPD-Kandidat Jonas Hoffmann (32).
Jonas Hoffmann ist müde: Samstagmorgen, 7.30 Uhr, am Stettener Bahnhofskiosk, wo sich am Wochenende wohl regelmäßig die Nachtschwärmer zum Frühstück treffen. Die anderen Nachtschwärmer sind aber wohl schon im Bett, also stärkt sich Jonas Hoffmann mit Pappbecherkaffee und Schokocroissant für den Rest seiner 30-Stunden-Aktion, die er am Freitagmorgen begonnen hatte. Hoffmann erzählt von seinen Besuchen bei der Tafel und im Erich-Reisch-Haus. Die Gespräche mit den Obdachlosen dort hätten ihn beeindruckt, ihre Lebensgeschichten. Auch für Leute wie sie will Jonas Hoffmann mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft – und in seiner eigenen Partei. „Wo SPD drauf steht, muss soziale Gerechtigkeit drin sein“, lautet einer von Hoffmanns Wahlkampfslogans: mehr Steuergerechtigkeit, eine Vermögenssteuer ab fünf Millionen Euro Einkommen, Stärkung der gesetzlichen Rente.
Einen weiteren Schwerpunkt setzt der Informatiker und IT-Leiter bei der Digitalisierung und der Industrie 4.0. „Die veränderte Arbeitswelt so gestalten, dass alle davon profitieren“, fordert er. Und dann war da, ebenfalls im Rahmen seiner 30-Stunden-Aktion, der Termin beim Textilunternehmen Lauffenmühle, die das Gegenteil eines 4.0-Unternehmens ist: „Es war spannend, wie vordigital die Textilindustrie noch ist“, sagt Hoffmann. Beeindruckt hätten ihn die Anstrengungen im Unternehmen, Arbeitsplätze zu erhalten, der Zusammenhalt in der Belegschaft.
Ein bisschen klingt Hoffmann dann wie ein alter Sozialdemokrat. Handwerk, Unternehmensgründungen und Start-ups will er fördern; mit innovativen Ideen soziale, ökologische und ökonomische Ziele zusammenbringen. Ebensolche Ideen sollen die Mobilität grundlegend verändern – eine von Hoffmanns Visionen sind selbstfahrende Busse insbesondere für den Öffentlichen Nahverkehr im ländlichen Raum. Seinen Wahlkampf führt er auch auf neue Art. Klar sind da noch das Klinkenputzen, die Infostände, die informellen Besuche allerorts. Aber da sind neue Formate, wie die Sache mit dem Toast: In der Videoreihe „Ein Toast auf die SPD“ stellt er dabei thematische Inhalte in der Zeit vor, die es braucht, eine Scheibe Toast zu essen – auf die das SPD-Logo eingeröstet ist. Mit seinem Toaster sei er auch durch Berlin gelaufen, um Fotos und Videos mit Promis zu machen – unter anderem mit Kanzlerkandidat Martin Schulz. „Der war richtig locker drauf.“
Der Toaster kam dann auch in den Wahlkreis, wo Hoffmann das Format live ausprobierte. Um anschließend in der Diskothek Notlösung als Barkeeper hinter der Theke zu stehen – wie er es drei Jahre lang während seines Studiums getan hatte. Es habe sich doch das eine oder andere politische Gespräch dabei entwickelt, freut er sich. Viele der neuen Formate, die vor allem junge Menschen ansprechen sollen, liefen jedoch eher mäßig, sagt Hoffmann: „Es ist sehr schwer, auf die Menschen zuzugehen und sie zu erreichen.“
Sehr schwer wird für ihn auch der Angriff aufs Direktmandat, angesichts schlechter Umfragewerte für die SPD und einem fest im Berlinsattel sitzenden Armin Schuster von der CDU: „Aber ich glaube, dass es reichen kann“, sagt Hoffmann. Nicht zuletzt, weil er bei Grünen und FDP ebenfalls sehr starke Kandidaten sieht, die Stimmen auf sich ziehen werden. Und weil er glaubt, die CDU werde „am rechten Rand deutlich verlieren“.
Und so geht er getreu seinem dritten Schwerpunkt in den Rest des Wahlkampfes: Hoffmann will Hoffnungsmacher sein. Das habe im Wahlkampf geklappt und darauf sei er stolz: „Angst hat in diesem Wahlkampf nicht funktioniert.“
Zudem sei es ihm gelungen, eigene Themen zu setzen. Hoffmann macht einen sehr engagierten Wahlkampf – der nicht vermuten ließe, dass seine bisherigen politischen Erfahrungen sich auf den Posten des Studierendensprechers an der Dualen Hochschule beschränken. Seinen christlichen Hintergrund, die caritative Weltreise mit seiner heutigen Ehefrau und die Arbeit als Entwicklungshelfer in Afghanistan lässt er immer wieder gezielt, aber unaufdringlich einfließen. Hoffmann verkörpert das Bild eines neuen SPD-Typen: smart, charismatisch und gutgelaunt. Die altbekannte Grundgrantigkeit von SPD-Politikern wie Peer Steinbrück oder Gerhard Schröder gibt es bei Jonas Hoffmann nicht einmal, wenn er seit rund 24 Stunden auf den Beinen war.
Ob die SPD am 24. September im Ergebnis die 21,8 Prozent der Zweitstimmen, die sie bei der Bundestagswahl 2013 holte, noch einmal holen kann, ist bei weitem nicht gewiss. „Auch bei der Zweitstimme wird noch was gehen“, ist sich Jonas Hoffmann jedoch sicher. Er trinkt seinen Kaffee aus, packt die Tüte mit seinem halbgegessenen Schokocroissant ein und macht sich auf den Weg nach Grenzach. Ab 8.30 Uhr, so verspricht es sein Programm, ist er auf dem Marktplatz für die Bürgerinnen und Bürger „Ansprechbar“.
http://www.badische-zeitung.de/kreis-loerrach/herr-hoffmann-hat-hoffnung–141795767.html