Nachgehakt und vorgestellt – Jonas Hoffmann als Bundestagskandidat

Jonas Hoffmann Bundestagskandidat SPD
Am Sonntag in “Der Sonntag”
Die Kanzlerkandidatur von Martin Schulz bescherte der SPD zunächst erheblichen Aufwind. Mittlerweile ist es aber wieder ruhig geworden um die SPD. Fehlt es dem Wahlkampf an Themen?
Themen gibt es mehr als genug. Wie weit wollen wir auf Kosten unserer Sicherheit unsere Freiheit beschneiden lassen? Wie schaffen wir es, den Wohlstand so zu gestalten, dass alle davon profitieren? Müssen wir uns Angst machen lassen oder können wir Kriminalität und Terror nicht auch mit Mut und Engagement entgegentreten? Ich wünsche mir eine ehrliche Debatte und vermisse Haltung, vor allem bei der CDU.
Die SPD will sich für bezahlbare Mieten in Metropolen einsetzen. Das wollen viele.  Instrumente wie die Mietpreisbremse haben sich bislang jedoch als wenig hilfreich erwiesen. Wie will die SPD das Thema anpacken?
Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist ein zentraler Teil einer gerechten Sozialpolitik. Grundsätzlich müssen Maßnahmen wie die Mietpreisbremse oder das Zweckentfremdungsverbot so umgesetzt werden, dass sie funktionieren. Gleichzeitig müssen wir den sozialen Wohnungsbau und Familien beim Eigenheim durch die Kommunen unterstützen. Denn Berlin weiß nicht, wie viel Wohnraum in Zell, Schopfheim oder Müllheim gebraucht wird und wieviel Zuzug die vorhandene Infrastruktur verträgt. Der Gemeinderat weiß das schon.
Die SPD fordert ein Einwanderungsrecht. Ist das, aus Ihrer Sicht, die richtige Antwort auf die Flüchtlingskrise?
Es ist die richtige Antwort auf eine andere Frage. Wir fordern ein Einwanderungsgesetz, das den legalen Zuzug in unser Land transparent organisiert. Wenn Menschen, die in Deutschland lernen, arbeiten, sich integrieren und sich etwas aufbauen wollen, legal einreisen können, ist das ein Gewinn für alle. So kann der gefährliche Weg für die Menschen verhindert, aber auch die Kosten durch „falsche“ Asylverfahren gespart werden. Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, sind hiervon aber nicht betroffen. Für diese Menschen müssen wir als Europa auch den nötigen Schutz bieten. Dies verlangt unser Gesetz, mein Glauben und mein Gewissen.
Bundestagswahl: Jonas Hoffmann tritt für die SPD im Wahlkreis Lörrach-Müllheim an.
Die Zukunft der Arbeit ist das Kernthema seines Wahlkampfes. Damit fühlt sich der Informatiker Jonas Hoffmann bei der SPD gut aufgehoben, für die er in den Bundestag will.
Seine Reisen in die Krisengebiete dieser Welt haben den 32-Jährigen aber auch für die komplexen Zusammenhänge einer globalisierten Welt sensibilisiert.
Zwischen Herrgottswinkel und SPD-Wahlkampfbanner ist die Leinwand eingespannt, auf die Jonas Hoffmann im Lauf des Abends Bilder aus einer Welt projizieren wird, die auf den ersten Blick so gar nichts gemein zu haben scheinen mit der Lebensrealität der Menschen, die zum Afghanistan-Vortrag ins katholische Gemeindehaus in Karsau gekommen sind.
Jonas Hoffmann erzählt von Terroranschlägen, Sicherheitskontrollen, Schlafen auf dem Lehmdach, Tee im Schneidersitz. Bei der Wahlkampfveranstaltung des SPD-Ortsvereins gibt es Häppchen mit Käse und Aufschnitt. Die Besucher sitzen auf gut gepolsterten Stühlen. Dabei herrscht auch am Hochrhein an diesem Freitagabend Weltuntergangsstimmung. Draußen gießt es wie aus Kübeln und der heftige Wind hat das Wahlkampfplakat vor dem Eingang umgeworfen. Jetzt liegt es auf der nassen Straße und schwimmt davon. Klimawandel, Globalisierung, Flüchtlingsströme, das sind auch die Themen, mit denen Hoffmann seinen Wahlkampf bestreitet.
Der 32-jährige Politik-Newcomer – Hoffmann ist seit 17 Monaten bei der SPD („nicht linker als Links und nicht rechter als die CDU“) – trägt Jeans und ein strahlend weißes Hemd, sportliche dunkle Lederschuhe und hantiert mit Kabeln und seinem Laptop. Der Informatiker weiß, wie man so einen Vortrag zum Laufen bringt. Nicht nur, wenn es um die Technik geht. Den Konflikt am Hindukusch hat er selbst miterlebt. 2011 war er für eine Entwicklungshilfeorganisation in dem Land, das seit 40 Jahren im Kriegszustand verharrt. Erst kamen die Russen, dann die Amis, irgendwann auch die Bundeswehr, bei der Hoffmann nach der Realschule und seiner Lehre zum Fachinformatiker gedient hat.
Seine Mission 2011 ist aber keine militärische, sondern eine humanitäre. Er baut Sportplätze und unterrichtet IT. Auch zuhause in Lörrach war Hoffmann ehrenamtlich en gagiert. Erst in der kirchlichen Jugendarbeit, später als Studiensprecher an der Dualen Hochschule, die er als erster Student ohne Fachhochschulreife absolvierte. Darauf ist er stolz. In seiner Familie ist er der erste, der so einen Bildungsabschluss vorweisen kann.
Soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit sind dann auch Themen, die Hoffmann bewegen. Und für die er in Berlin etwas bewegen will. Sein Kernthema aber ist die Digitalisierung der Arbeitswelt. Damit kennt er sich aus. „Die Arbeit wird sich in Zukunft extrem verändern“, ist sich der IT-ler sicher und nennt mit der E-Mobilität und dem 3-D-Druck zwei Schlagworte, die umreißen, wohin die Reise geht. „Wir müssen sehen, dass wir uns in Deutschland da gut aufstellen“, betont er. Wichtig ist ihm aber, dass der Prozess sozial gestaltet wird und nicht nach dem neo-liberalen Wirtschaftsprinzip vonstatten geht. „Wir können das nicht einfach laufen lassen.“ Hoffmann weiß Bescheid über die globalen Folgen des  unkontrollierten Wirtschaftswachstums. Afghanistan war erst der Anfang. 2013 packt Hoffmann erneut den Reiserucksack und bricht gemeinsam mit seiner Frau zu einer Weltreise auf. Unterwegs besucht das Paar verschiedene Hilfsprojekte, erhält Einblicke in die ausbeuterische Textilindustrie in Indien und anderswo. Unterwegs liest Hoffmann rund 80 Bücher. Die Low-Budget-Welterkundung wird zur Bildungsreise.
Wenn er in den Bundestag einzieht, will er sich denn auch für ein Verbot von Produkten aus Kinderarbeit einsetzen. Hoffmann hat viel gelernt auf seinen Reisen. „Die Zeit hat mich politisiert“, sagt er rückblickend. Und sie hat seinen Sinn dafür geschärft, was ihm wichtig ist. Wenn er davon spricht, dass die Freiheit ein Wert ist, für den es sich lohnt sich einzustzen, klingt das nicht wie eine abgedroschene Politikerphrase. Hoffmann argumentiert sachlich. Das zeigt sich auch bei der Fragerunde nach seinem Vortrag, bei der es um die Hintergründe des islamistischen Terrors geht. Davon, wie die Bunderegierung die Flüchtlingskrise handhabt, hält er wenig. Die Merkel Losung „Wir schaffen das“ sei letztlich von Ehrenamtlichen aufgefangen worden. Außerdem seien Schritt für Schritt härtere Asylgesetze durchgedrückt worden. „Hier braucht es eine sachliche Debatte“.
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