„Dem Rad in die Speichen fallen.“ Dieser Satz von Diedrich Bonhoeffer wird häufig zitiert. Von den evangelikalen Rechten in den USA wird dieser Satz nun missbraucht, um Trump religiös zu legitimieren. Doch eigentlich stammt er aus einem ganz anderen Kontext: Bonhoeffer nutze ihn in der Debatte, ob die Kirche jüdischen Menschen politisch und organisatorisch beistehen oder sich aus der Politik heraushalten solle.
Aus dieser Tradition heraus ist es fundamental wichtig, dass die Prälaten der Kirchen eine Stellungnahme zum „Zustromsbegrenzungsgesetz“ abgeben. Die Prälaten haben die Funktion, zwischen Kirche und Politik zu vermitteln und christliche Werte zu einem politischen Vorhaben zu benennen. Prälaten handeln dabei nicht als Vorsitzende der Kirchen, sondern in ihrer Vermittlungsrolle, wobei nie die Breite aller Kirchenangehörigen abgebildet werden kann.
Angesichts der Kirchengeschichte im Nationalsozialismus empfinde ich es als richtig, dass sich die Kirchen in einer solchen historischen Situation zu Wort melden. Aber anstatt über eine von christlichen Werten geleitete Migrationspolitik und das damit verbundene Menschenbild zu diskutieren, oder darüber, ob man mit Mächten kooperieren kann, die sich von christlichen und menschlichen Werten verabschiedet haben, wird an dieser Stelle eine Debatte über politische Einflussnahme der Kirchen geführt.
Dass Christen und Kirchen sich positionieren, politische Verantwortung übernehmen und Politik mitgestalten, ist Teil unserer Geschichte und DNA als Christen. Ein unpolitisches Christentum ist eine totes Christentum. Gerade jetzt kann Kirche eine relevante Stimme sein. Jetzt, da der gesellschaftliche Diskurs Menschen mit Fluchtgeschichte nicht mehr als geliebte Menschen sieht, sondern lediglich als ein Problem mit Sicherheitsrisiko.
Zu oft ist in der aktuellen Migrationsdebatte vieler „christlicher“ Politiker gegenteiliges zu lesen gewesen: Grundpfeiler des Glaubens wie der Auftrag zur Nächstenliebe werden mit Füßen getreten. Eines der höchsten Gebote Gottes wird versucht in Landesgrenzen einzuzäunen und an Hautfarbe und Glaube zu begrenzen. Dabei würde doch gerade Nächstenliebe einen erheblichen Beitrag zur inneren Sicherheit liefern.
Die Tat in Aschaffenburg wäre durch noch mehr Kontrollen an den Grenzen nicht verhindert worden. Aber das Schenken von Hoffnung, Liebe, Glaube – durch einen Christenmenschen – wäre mit Abstand die bessere Prävention gewesen. Hierzu sind wir aufgerufen, hier können wir als Christen einen Beitrag leisten.
Natürlich braucht es rund um das Thema Migration bessere Organisation, bessere Prozesse und auch mehr Klarheit für die Beteiligten. Der Antrag der Unionsfraktion beinhaltet aber, Schutzsuchende kollektiv abzuweisen. Dies ist eine Verneinung dessen, was Jesus vorlebte: Sich um die Schwächeren zu kümmern. So war doch Jesus selbst ein Schutzsuchender, der als bedürftiger Säugling in ein anderes Land fliehen musste.
Christlichen Asylpolitik sollte den Schutz von Bedürftigen gewährleisten, gute Integrationsprogramme realisieren, ein würdevolles Leben ermöglichen, und eine Einbringungsmöglichkeit in die (Arbeits-) Gesellschaft garantieren. Dabei gilt es für kirchliche Vertreter, Gebote der Liebe und Gastfreundschaft zu vermitteln. Feindbilder zu schaffen, führt hingegen zur Spaltung, zum Hass und zerstörerischen Kraft.
Gottes Liebe macht nicht vor Landesgrenzen und nicht vor Attentätern halt.